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Saturday, April 6, 2013

Ein großes Finale - Eine 45,5 Stunden Rollenspiel-Session

Meine aktuelle Rollenspielrunde hat ihre erste Kampagne beendet. Da wir - wie ich finde - für unser Alter mit Berufsleben Anforderungen, Familien und so fort - eine relativ ungewöhnliche Spielsessionstruktur haben (alle drei Monate für ein verlängertes Wochenene duchspielen) habe ich mir gedacht das Wochenende des Finales für andere mal ausführlicher zu beschreiben. Vielleicht ist es für den einen oder die andere interessant oder wenigstens nett zu lesen.




Unsere größte Marathon Session ist zu Ende. Üblicherweise treffen wir uns von Freitagabend bis Sonntagabend (mit Abfahrt erst Montagmorgen), dieses Mal haben wir  einen Tag drauf gelegt, um die Saga nach 10 vorangegangenen Spielsessions zu Ende zu bringen. Wir haben also von Freitag spät Abend bis Montagnacht gespielt. Anreise erfolgte aus Wien, Berlin, Köln, Saarbrücken, Mainz, Göttingen und dem Sauerland mit Auto, Bus und Bahn nach Bonn.

Beruflich haben wir Wissenschaftler, IT-Projektmanager, Berater und Filmproduzenten unter uns,eine schöne und sicher nicht allzu untypische Mischung - alle Anfang 30 - mit zwei Frauen und fünf Männern.

Spielzeit

Geschlafen wurde jede Nacht circa 5 bis 6 Stunden. Dann braucht es ja immer ein bisschen bis man wieder in die Gänge kommt. Halbstündige Pausen gab es zwischendurch, aber meist haben einzelne auch in den Pausen weiter gespielt. Essen wurde von Freiwilligen zubereitet, deren Charaktere gerade nicht im Zentrum des Geschehens standen.
Spielzeit Planung ausge-Excelt

Das machte so am Ende eine reine Spielzeit von 45,5 Stunden. Alle aktiven Spieler waren anwesend wobei zwei Spieler erst Samstag mittag bzw. Sonntag früh anreisen konnten.  Die Session war so geplant, dass die die zu spielenden Szenen je nach Wendungen, Abkürzungen und Abwegen zwischen 30 und 70 Stunden brauchen würden. Diese Extremwerte waren natürlich nicht anzunehmen, so dass der Spielzeitbedarf zu tatsächlicher Spielzeit akzeptabel war. Schlussendlich haben wir tatsächlich das Finale Montagnacht zu Ende bekommen ohne gegen Ende in Hektik fallen zu müssen. Zwei, drei weniger relevante Szenen sind Opfer einer Szene geworden, die doppelt so lange brauchte wie maximal für sie eingeplant war (und auch allen doppelt so viel Spaß gemacht hatte). 

 Was Ablenkungen und Offtopic Regelungen angeht sind wir nicht streng aber natürlich achtet jeder darauf es nicht ausarten zu lassen. So konnte ein Spieler erst Samstag anreisen, weil er noch auf einer Messe zu tun hatte.  Dann wurde mal diskret ein wichtiges Fußballspiel auf dem Handyticker vefolgt oder mal mit der Partnerin zu Hause geskypet. Alles ziemlich normal und im Rahmen bei einer so langen Sitzung finde ich. 

Anstrengend ist eher, dass vier bis fünf Spieler Raucher sind und entsprechend sehr oft Richtung Terrasse unterwegs waren und damit am Tisch fehlten. Auf der anderen Seite boten diese Unterbrechungen aber auch die Gelegenheit mal Luft zu holen für alle - buchstäblich und im übertragenen Sinne.

Unser Spielraum dieses Mal. Sehr geräumig was gut für die Luft war.
Sonntag hatten wir Besuch von einem anderen Spielleiter, der selber erst vor kurzem die Kampagne mit seiner Gruppe beendet hatte und mit dem ich in den letzten Jahren viel gemeinsam im Vorfeld besprochen und ausgetauscht hatte. Das war nett und hat auch gar nicht gestört. Außerdem hat meine Frau und mein Sohn uns hin und wieder besucht wenn wir Spielpausen hatten. Ansonsten sind wir komplett unter uns geblieben. 

Versorgung und Unterkunft

Gespielt haben wir in einem Seminar-Haus, in dem wir einen Schlafsaal und mehrere Einzelschlafzimmer zur Verfügung hatten, eine große Küche unser eigen war und eine Terrasse nahe lag, um den Rauchern den Weg nicht zu beschwerlich zu machen. Freitagabend gab es bestellte Pizza, dann ab Samstag wurde mit einem großen Einkauf für das restliche Wochenende vorgesorgt und Selbstgekochtes und Aufbackbrötchen stillten unseren Hunger. 

Das Laufband war definitiv zu kurz.
Dazu gab es natürlich Unmengen Bier, Softgetränke, Süßkrams und frisches Obst. Da wir das Seminarhaus für einen kleinen Obolus von 20 EUR pro Nase fürs gesamte Wochenende dank verwandtschaftlicher Beziehungen so gut wie umsonst bekommen hatten, beliefen sich damit die Gesamtkosten für die vier Tage auf gerade mal 70 EUR pro Person – Urlaub in Aventurien ist halt günstig. Sonst spielen wi eigentlich direkt bei einem von uns zu Hause. Dann ist es enger und Gastgeber zu sein natürlich auch immer eine zusätzliche Herausforderung, so dass wir uns dieses Mal dieses besondere Haus gegönnt haben. 
Technik und Ausstattung

Technik haben wir selbst mitgebracht, obwohl das Seminarhaus eigentlich einiges zu bieten hatte. Aber so war der Beamer eine Spur leiser, die Musikanlage einen ganzen Brocken mächtiger und die Kabel definitiv reichlich genug vorhanden, um das alles zu verbinden. Auch ein paar gemütliche Lichtquellen zusätzlich hatten wir dabei, von Leuchtkugeln, dem Philipps Ambient Light Kegel bis zu den obligatorischen Kerzen. Unser Spielsaal (sicher 50qm) konnte komplett abgedunkelt werden, so dass auch düstere Szenen tagsüber kein Problem darstellten.

Den Beamer nutzen wir für das Anzeigen von Karten in Maptools zur Orientierung (besonders bei Reisen praktisch), zum Besprechen von Meta-Spielen (siehe unten) und Logistik, als auch für InGame Dokumente, die zusätzlich zwar auch als Ausdruck in Spielerhänden sind, aber ganz gut besprechbar sind, wenn an die Wand projiziert. Meine Maptools Karten lassen sich hier in einem anderen Artikel übrigens auch herunterladen. Das sind allerdings die Copyright-bereinigten Versionen. Die viel schickeren mit zusammengesuchten Bildern aus dem Netz kann ich nur bei privater Anfrage mal zur Verfügung stellen.

Strategie Sitzung unter Leitung des Söldnerhauptmanns
Außerdem ist der Beamer auch eine gute zusätzliche Lichtquelle und mit dem richtigen Bild an die Wand geworfen, kann er auch noch mal zur Stimmung beitragen. Allerdings haben wir inzwischen gelernt, dass auch nicht zu viel auf dem Beamer passieren darf, sonst verlagert sich die Aufmerksamkeit der Gruppe zu stark auf das Fernseh-artige Erlebnis und das Gruppenerlebnis leidet.

Die richtige Mischung zwischen elektronischen Battlemaps und mit Zinnfiguren dargestellten Szenen ist mir daher sehr wichtig und ich überlege bei jeder Szene gut, welche Variante die geeignetere ist. Generell gilt für mich: ist die Kampfsituation komplex mit mehreren Orten / Ebenen zwischen denen gewechselt wird, dann gehe ich lieber ins Elektronische. Wird hingegen wahrscheinlich viel gewürfelt, dann sind Zinnfiguren und ein schnell gemalter Bodenplan die bessere Variante: beim schicksalhaften Parade Wurf rücken die Spieler lieber ganz eng zusammen am Spieltisch.

Über die Anlage laufen Hintergrundgeräusche (Meeresrauschen, Wind in den Bäumen) und teils passende Hintergrundmusik. Die Hintergrundgeräusche kommen von Atmosphere Deluxe, ein Tool, das nur ein paar Euro gekostet hat und randomisiert eingestreute Naturgeräusche einspielt. Da ist schnell ein Thema gewählt („Segelschiff auf offener See“, „Abendstimmung im mediterranen Wald“) und die Wirkung auf die Atmosphäre finde ich jedes Mal wieder enorm.  

Die Hintergrundmusik ist auf Spotify zusammen gestellte Playlists, die sich thematisch an der Szene ausrichten: Harfenstücke bei einer Lichtelfe, mongolische traditionelle Musik beim Besuch einer Nivesensippe und so fort. Die Playlists lassen sich dort auch über mein Profil finden oder die zur PhileassonSaga in diesem Artikel. Für 5 EUR im Monat find ich das Angebot für solche Playlists, von denen auch noch andere was haben können, mehr als angemessen. Ich gönne mir sogar die 10 EUR Version und kann mir alle Playlists auf den Rechner runterladen.Den ersten Monat gibt es zudem ja kostenlos und das Abo ist jederzeit kündbar.

Efferd Vademecum, privates Gebetsbuch und Gwen Petryl Licht.
Die LED Lampe von Philips lässt per Fernsteuerung jede Lichtfarbe zu, um bei bestimmten Szenen das Ambiente zu verstärken: Dschungelgrün, Gwen Petryl blau oder Dämonenrot - wie es gerade gebrauch wird. Ansonsten hatten wir Lichtkugeln mit farbigen Lampen und Kerzen, die insgesamt ein schönes Licht geworfen haben und dank der Größe des Raumes auch nicht zu schnelle stickige Luft gemacht haben.

Würfel waren reichlich vorhanden, insbesondere die Tischtennisball-großen W20, die helfen auch noch aus Entfernung das Ergebnis mit ablesen zu können. Zum schnelleren Abhandeln der §W20 Proben würfeln wir immer auf Farbkombinationen wie „Schwarz-Rot-Gold“, da zahlt sich die große Zahl von verschiedenfarbigen Würfeln aus. Zu guter Letzt sind natürlich auch immer die Trefferzonen-W20er beliebt. Auch wenn wir eigentlich wenig Kämpfe haben, es gibt ja viele Wege sich weh zu tun im Heldenleben.  

Es gab einen klassischen Meistertisch mit Meisterschirm während die Spieler sich auf Couches, Matratzen und Sitzsäcken tummeln konnten. Tiefe Tische boten Platz für Karten, Heldendokumente und Würfel. Hinter dem Meistertisch findet sich eine Mappe mit den Handouts, der Laptop mit Notizen, den Excel-Tools, Power Points und Maptools, und zu guter Letzt das nicht mehr sonderlich relevante eigentliche Kaufabenteuer – die Phileasson Saga.

Das Abenteuer

Gespielt haben wir das Ende der Phileasson Saga. Diese setzt sich aus einer Wettfahrt mit 12 Questen zusammen. Stehen geblieben waren wir bei der vorherigen Session vor dem Finale der 10. Queste. Das Abenteuer verläut sehr linear. Da es sich jedoch um große Szene und weite Schauplätze handelt, ist das Railroading Gefühl dennoch wenig ausgeprägt.Wer sich unser Logbuch mal ansehen will, hier ist es verlinkt. Vorsicht, das sind über 180 dicht beschriebene Seiten.

Ohne Kaffee geht irgendwann gar nichts mehr.
Die Atmosphäre ist gegen Ende einer dreijährigen gemeinsamen Spielzeit mit einem Rhythmus von allen drei Monaten (mit einem Jahr Pause zwischendrin), also nach 11 Sitzungen, die jeweils ein solches komplettes Wochenende beinahlteten natürlich teils sehr feierlich. Es gab viele spannende Szenen, es gab viel Gelegenheit zu lachen, einige schöne Überraschungen und generell viel Interaktion. Mehr zum Spiel selber schreibe ich in einem separaten Artikel noch mal.

Gimmicks

Bei so einer langen Session halte ich es für sinnvoll zwischendurch Elemten einzubauen, die zwar zur Geschichte bzw. dem Spiel gehören, aber anderen Regeln als das klassische Pen & Paper Spiel folgen (wie dieses Pferderennen, das Malen eines Dorfes oder der Einsatz der Inrah-Karten als Subquesten). Dieses Mal hatten wir aufgrund des noch mal einen Tag längeren Spieltermin gleich mehrere solcher Ausflüge im Gepäck.

Zum einen gab es einen eigenständiges Strategie-Spiel. Während die Spieler ein wichtiges Ritual in einem Turm in Feindesland durchführen, haben die Alliierten der Helden die Truppen des Feindes in Schach gehalten. Wichtig war dabei, dass die Feinde vom Turm fern gehalten wurden und gleichzeitig noch möglichst viele Gefangene befreit werden konnten. Jede Spielrunde in diesem Spiel bedeutete eine Stunde für die Helden im Turm. So konnte man auch im Turm durch das Spiel „die Zeit ticken hören.“

Dann gab es zu Beginn der 11. Queste einen Recherche Auftrag, für den ich jede Menge Zettel als Handouts vorbereitet hat. Vortragsthemen wurden gemeinsam ausgedacht, also brennende Fragen zum Klären des mythologischen Überbaus der Kampagne, die dann an die Spieler verteilt wurden. So hielt jeder einen kleinen Vortrag, was jede Menge Spaß gemacht hat.

Ein weiteres Gimmick Element war die „Ersteigerung“ einer Schiffsmannschaft aufgrund herausragender Eigenschaften der Seeleute. So konnte man explizite Vor- und Nachteile aus einem Menü auswählen und damit konkrete Auswirkungen auf den Fortgang der Geschichte für die Schiffsmannschaft auch unabhängig vom Verlauf des Abenteuers für die Helden festlegen.

Als Finale der 11. Queste haben wir ein Gimmick gespielt, dass ganz klassische Rätselelemente eingebaut hatte, bei denen die Helden sozusagen drei Leben hatten: drei Fehler durften ihnen unterlaufen, sonst wäre ihr Konkurrent ihnen zuvorgekommen.
Einst gemeinsam im Games Workshop bemalt
Schlussendlich gab es als Finale der 12. Queste eine Traumwelt zu erleben und – wie es sich gehört – die Psyche des Träumenden positiv zu beeinflussen. Dafür wurden für jede von vier Traumsequenzen unter den Spielern Avatare verteilt, die jeweils eine besondere Rolle spielten und die im Player Empowerment Sinne für Bennies Fakten entlang zu jeder Figur zugeteilten Eigenschaften schaffen konnten. 

Alle diese Elemente werde ich noch mal ausführlich in eigenen Artikeln erklären, weil ich sie auch wieder wie viele Sachen auf phileasson-projekt.de, der wirklich tollen von der Fan-Community rund um die Saga von Bernhard Hennen, veröffentlichen werde. Ich habe enorm von den Ideen, dem Austausch und dem Material auf der Seite profitiert und freue mich wenn andere wiederum was von meinen Sachen aufgreifen.

Ende und Rückblick

Zuvor gab es noch ein klassisches Finale mit Zinnfiguren und einer strategischen Verteidigungsschlacht. Als dann alles vobei war fielen bei fast allen aber auch die Augen zu. Eine kleine Schar Unbeugsamer allerdings hat nach einer guten Stunde  kontemplieren über die Saga an sich, sich noch an eine Partie Fiasco gemacht. Am Morgen der Abfahrt gab es dann noch mal ein Gespräch mit allen zu Feedback und einen gemeinsamen Blick in das Abenteuerbuch und meine Meisterunterlagen, die uns jetzt 11 Wochenenden begleitet hatten. Und dann war Heimfahrt angesagt.

Rückblickend war das Spielen der Saga in dieser Form und mit dieser Gruppe mein persönliches Highlight was Rollenspiel-Kampagnen angeht. Ich hatte die Phileasson Saga zuvor bereits zweimal gemeistert und auch die Borbarad Kampagne (fast) bis zum Ende gemeistert. Außerdem habe ich eine längere Piraten Kampagne und eine „Dreckiges Aventurien“ Kampagne gespielt. Das waren auch sehr gute Runden, aber an die Intensität dieser dreimonatlichen Wochenenden konnte das nicht heran kommen.

Flaschen Count exklusive der Plastikflaschen
Diese intensive Spielzeit pro Session, das gemeinsam Übernachten an einem Ort und langsam an die eigenen Grenzen kommen, das erhöht für mich enorm den Grad an Intimität, die sich so zwischen Charakteren und Spielern hochschaukelt. Es gab während der Kampagne Ausstiege wegen Schwierigkeiten das damit verbundene hohe Commitment aufzubringen, was ich voll verstehen kann. Umso schöner, dass wir es mit sechs Helden ins Finale geschafft.