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Monday, July 1, 2013

Dumpstats – Vorsprung durch Technik


Der Rollenspiel Karneval zog im Juni zum Thema Dumpstats um die Häuser. Dumpstats sind im weitesten Sinne irgendwie als unnütz empfundene Werte.
Werte auf die ich nie würfel? Dann lass halt den Rechenknecht würfeln!
Bei den Teilzeithelden gibt Oliver eine Einführung zum Thema. RPGnosis nehmen am Beispiel DSA4.1 die negativen Konsequenzen von Dumpstats in Kaufsystemen auseinander.

Ich möchte einen Vorschlag machen, wie man dank Computereinsatz einige Dumpstats aufwerten kann. 
Ich hatte schon lange vor, ein kleines Tool vorzustellen, das wir in unserer DSA-Runde im Einsatz haben, um eine der Kategorien von Dumpstats spielförderlicher zu machen, und nutze die Gelegenheit, um das Tool, vor allem aber unseren Umgang mit der folgenden Art von Dumpstats zu erklären. 

Wen nur das Tool interessiert, der hat hier den Link zum DSA-Massenprobe-Tool


Weil es unser System ist, stelle ich alles Folgende mit DSA4.1 Begriffen vor, glaube aber, dass sich vieles einfach übertragen lässt auf andere Systeme. 

Es gibt Talente, die – wie RPGnosis erklärt – eigentlich zum Handwerkszeug des reisenden Helden dazu gehören, die dennoch stiefmütterlich behandelt werden von den meisten Spielern. Das sind etwa Wildnisleben, Gassenwissen, Boote Fahren, Reiten oder Kochen. Beim Aufenthalt in der entsprechenden Umgebung eigentlich ständig im Einsatz und dennoch fällt beim Blick auf den Charakterbogen auf, dass sich in den Bereichen wenig tut. 

Um seinen Helden simulationistisch oder warum auch immer „rund“ zu halten, tendieren einige Spieler dazu, dennoch mal Punkte in die entspechenden Talente zu stecken. Doch gewürfelt wird schlussendlich doch nicht darauf. Selbst der Spezialist der Gruppe fragt sich, was es für ihn für einen Unterschied machen soll aus Wildnisleben 13 eine 14 zu machen. Er ist mit Abstand der Fähigste und wenn die Proben einmal in einer schaffbaren Höhe waren, macht es auch spieltechnisch keinen Sinn, warum das Nachtlager aufschlagen plötzlich schwerer werden sollte, um die Probe wieder auf das Niveau  einer Herausforderung zu bringen. 

Warum auf das Niveau einer Herausforderung? Genauso wie bei allen anderen Würfeleien: wenn sie nicht in irgendeiner Form zum Spielspaß beitragen, sollte man sie sich sparen. Wird eine Probe zu 95% geschafft oder gibt es keine (interessanten) Konsequenzen aus dem Ergebnis des Würfelwurfs: weglassen! 

Außerdem gibt es eine Reihe an Beispielen, bei denen ein Würfelwurf passen würde, aber einfach nicht den Aufwand lohnt: 

  1. Siebentägige Segelfahrt, jeden Tag Boote Fahren Proben von jedem Helden, um mal zu schauen, ob jemand von Deck fällt? Viel zu viel Würfelei und dazu geht dabei statistisch wahrscheinlich viel schief bei niedrigen Talentwerten. Und würde man nicht während so einer kleinen Reise nicht nach ein paar Tagen besser, also sollte steigern?
  2. Die Seefahrt ging gehörig schief. Nun sitzt man als Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel und will mit Holzbearbeitung ein Floss bauen. Da ein Held krank geworden ist und dringend Hilfe von einem Medicus braucht, hat man es eilig. Keiner hat so richtig Ahnung (Dumpstat halt). Die Dramatik könnte mit Würfelproben hergestellt werden (jeden Tag jeder Held eine Holzbearbeitungsprobe, bei 20 gesammelten TaP* ist das Schiffswrack repariert. Das wird eine wilde Würfelei.
  3. Nachtlager aufschlagen: Wildnisleben würfeln für den Waldläufer der Runde. Keine besonderen Umstände, Probe +0 oder gar -3? Kann man sich das Würfeln sparen. Und sollte es nicht eine Rolle spielen, wie stümperhaft sich die Gefährten anstellen oder umgekehrt, ob es jemanden auf ähnlich gutem Niveau gibt, der als Zweitbester aber dann nie zum Würfeln kommt?
  4. „Die Stadt ist ein einziger Sündenpfuhl, ein Schritt in die falsche Gasse und man hat ein Messer an der Kehle, ein unaufmerksamer Moment und die Geldbörse ist verschwunden,“ heißt es so schön in manchem Vorlesetext. Sollte nicht jeder Charakter beim Recherchieren in der Stadt locker mal dreimal am Tag auf Gassenwissen würfeln, vielleicht in Kombination mit Sinnenschärfe? Kann einem der erfahrene Streuner nicht wenigstens ein paar grundlegende Tipps geben oder ein Auge auf die völlig überforderte Gelehrte haben, dass diese nicht ständig über den Tisch gezogen wird?

Was sich bei uns für diese Situationen etabliert hat ist folgende Technik-unterstützte Lösung: computer-generierte Massenproben, d.h. für jeden wird gewürfelt auf das passende Dumpstat Talent. Dann gibt es zwei Standard-Möglichkeiten: 

(a) „Jeder TaP* zählt“: alle TaP* und alle fehlenden Talentpunkte zum Bestehen werden verrechnet, ist das Ergebnis positiv hat die Gruppe ihr Ziel erreicht ohne Zwischenfälle, sonst ist dem mit den meisten fehlenden Punkten etwas unangenehmes zugestoßen

(b) „Bester versus Schlechtester“: es werden die TaP* von demjenigen mit den höchsten TaP* mit demjenigen mit dem schlechstesten Wurf verrechnet, also dem dem die meisten Talentpunkte fehlen. Ist das Ergebnis positiv, konnte der mit den meisten TaP* den anderen gerade noch so von einer Dummheit abhalten, im negativen Fall geschieht dem Unglückraben wieder etwas Unangenehmes

Möglichkeit (a) bewährt sich vor allem bei Team-Aufgaben, wenn alle an einem Strang ziehen, ein klares Ziel haben und kein Held als klarer Anführer im Spotlight steht. Auch bei zu sammelnden TaP* bietet sich das an. 

Möglichkeit (b) ist meines Erachtens eine bisher wenig beachtete hervorragende Möglichkeit Massenproben interessant zum Einsatz zu bringen und Dumpstats auszuhebeln. 

Massenproben Tool mit verschiedenen Auswertungsmöglichkeiten
Gerade Helden mit einem allgemeinen Dumpstat als ihre Spezialisierung haben bei (b) eine Chance regelmäßig glänzen zu können. Denn das Ergebnis so einer vergleichenden Massenprobe lässt sich – bei uns auf einen Beamer projiziert – wunderbar erzählerisch einbinden: 

Spielerin A (mit dem schlechtesten Wurf: „Och nö, ich hab’s geschafft mich beim Austreten im Dornendickicht zu verfangen.“ Spielleiter: „Ja, und Held X, der Waldläufer hatte Euch noch gewarnt. Nur leider hatte er gerade seine Augen wohl woanders (TaP* nur knapp niedriger als umgekehrt das schlechteste Ergebnis). Der schöne Mantel der Beherrschung  ist völlig zerschlissen, werte Magister.“ 

Beide Massenproben-Würfelarten lassen sich in diesem von mir programmierten kleinen Excel-Tool ausführen. Helden-Eigenschaften und Talentwerte einfach eintippen und los geht’s. Auch andere Online Tools lassen sich dafür nutzen, soweit ich weiß bietet etwa  MeisterGeister eine Massenprobe Funktion an. Das ist vor allem praktisch, wenn man seine Heldengruppe ohnehin in der Software pflegt und alle ihre sonstigen Funktionen nutzt. Mit dem Excel gibt es eine weitere Option, die zudem etwas mehr Flexibilität bietet eigene Ideen schnell zu verwirklichen (etwa Möglichkeit b) einbinden). 

Der Effekt: TaW machen sich statistisch bemerkbar und zwar bei allen. Für die Expertin lohnt sich ein Steigern wieder, um bei der nächsten Gelegenheit ihren Mitreisenden noch besser beistehen zu können, für die gesamte Gruppe lohnt es sich Reiten noch einen Punkt zu steigern, damit bei der nächsten Überlandreise weniger schief geht. Die Würfelei kostet extrem wenig Zeit und eröffnet doch Ausspielmöglichkeiten und fungiert zudem noch als Zufallsereignisgenerator. 

Die negativen Folgen können natürlich auch im Vorhinein festgelegt und verregelt werden, wenn man nicht die Muße hat, sich für die Missgeschicke immer etwas Neues auszudenken: eine Klettertour zum verfluchten Felsen der Anoiha, kann etwa vier Kletternmassenproben Typ (b) verlangen, jedes Missgeschick (also dass die Beste den Schlechtesten nicht ausgleichen kann) ist eine Wunde – also etwas sehr drastisches. Ein andermal bedeutet das Missgeschick alleine eine Konstitutionsprobe, ob man sich eine leichte Krankheit beim Nachtlager geholt hat.  

Die Dumpstat Qualität wird also dabei dadurch aufgehoben, dass häufiger auf die Dumpstats bedeutsam gewürfelt wird (also mit Konsequenzen) ohne in eine langweilige Würfelorgie abzudriften. Durch die „Bester versus Schlechtester“ Mechanik gibt es natürlich einen Gruppen-internen Wettbewerb nicht der schlechteste zu sein, dem statistisch häufiger etwas Dummes passiert. Wohlgemerkt, nur bei einer misslungenen Probe kann einem ein Missgeschick passieren. 

Dennoch bedeutet dieser Gruppen-interne Vergleich natürlich, dass es davon abhängt, wie schlecht die anderen sind, die mit einem reisen, ob einem etwas passiert. Unrealistisch ja, aber hier geht es auch nicht darum durch Massenproben simulationistisches Spielen zu stärken sondern allein interessante, zu den Charakteren und ihren Spielwerten passende Geschichten zu erzählen. 

Natürlich kann man die Mechanismen noch verfeinern und sich weitere Rechnungsmöglichkeiten überlegen: Meta-Talente basteln (etwa Gassenwissen+Sinnenschärfe bei Beispiel 4), Mindestbeiträge zu einer Aufgabe pro gelunger Probe definieren (3 Punkte pro gelungener Probe in Beispiel 2) um Beteiligung zu ermutigen und so fort. 

Häufig hier von mir eingesetzt ist übrigens eine weitere von mir häufig auch für normale Proben variierte Proben-Auswertung bei DSA: statt auf TaP* zu schauen, lasse ich oft TaW+TaP* vergleichen. Damit wird die Bedeutung vom TaW noch einmal erhöht und damit noch einmal mehr sicher gestellt, dass diejenige mit dem höchsten Talentwert deutlich höhere Erfolgschancen bei einer vergleichenden Probe hat als eine Anfängerin (etwa bei Talenten wie Brettspiel, bei denen der Streuner trotz langer Übung gegen die Magierin als völlig ungeübte aber mit ihrer KL 18 häufig versagt sonst). 

Übrigens ist das oben verlinkte Massenproben-Tool auch die Grundlage für das Pferderennen Tool, das ich in einem anderen Artikel vorgestellt habe. 

Generell kann man sagen, dass die ansonsten begründet als solche gesehenen Nachteile von DSA (aufwändige Default-Probe mit vier Eingangsparametern und drei hochzahligen Würfeln, Unmengen an Dumpstat Talenten und sehr hohe Granularität der Skill-Höhe (TaW von 0 bis 21, also 22 Abstufungen) durch die technologische Unterstützung spielbarer und interessanter werden. Also zum Abschluss: Ein Hoch auf den technischen Fortschritt am Spieltisch!